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Leseprobe "Libellenfrühling"

Libellenfrühling 1 Ihrem Blick nach zu urteilen, war Mama entweder der Überzeugung, ich sei ein verwaistes Straßenkind, oder gar ein ausgereiftes Sumpfmonster. Ich kam vom Garten her, war den kleinen Abhang hinterm Haus hinaufgelaufen, während der Regen unaufhörlich auf alles niederprasselte: das gemähte Gras, die roten Hortensien im Rindenmulch und die Farne in den Terrakottatöpfen; und auf mich, der es nicht für nötig gehalten hatte, eine Regenjacke oder wenigstens einen Schirm mitzunehmen. Mit dreckigen Händen drückte ich die Terrassentür auf, um in die Küche zu stolpern, wobei ich einen verschmierten Handabdruck auf der Glasscheibe hinterließ. Der Duft frischgebackenen Brotes wehte mir entgegen und ließ mir bewusstwerden, wie sehr mein Bauch vor Hunger schmerzte. „Stehen geblieben, mein Langer“, sagte Mama, die an der Spüle stand und die blau glasierte Kaffeetasse abtrocknete, die ich im Werkunterricht getöpfert und ihr zum Muttertag geschenkt hatte. Wie ein Glockenspiel k